Wir sind kein Party-Korps
Schützenlust-Major Herbert Geyr äußert sich zu abfälligen Äußerungen und negativen Bewertungen über das Korps der Schützenlust
L&L: Du bist vom Stadt-Kurier als neuer Oberst ins Gespräch gebracht worden. Ist da etwas dran und müssen wir uns einen neuen Major suchen?
Herbert Geyr: Dieser Artikel hat mich sehr verärgert, weil so etwas für mich überhaupt nicht diskutabel ist und ich mich in der jetzigen Position so wohl fühle, dass ich keine anderen Ambitionen verspüre.
Auch kann ich bestimmte, negative Anspielungen auf die Schützenlust nicht nachvollziehen. Oft werden wir als lockeres Partykorps bezeichnet - das stimmt ganz und gar nicht. Wer unser Korps nicht aus eigenem Erleben kennt, sondern es nur von außen betrachtet, kommt zu keiner richtigen Beurteilung. Schützenlüstling zu sein ist ein besonderes Gefühl. Ich habe schon oft gesagt, dass bei der Neusser Schützenlust die Betonung auf ,,Lust“ liegt - und weniger auf ,,Schützen“ - womit natürlich nur das Schießen gemeint ist.
L&L: Was macht dann die Schützenlust aus?
Herbert Geyr: Nach meiner Meinung zeichnet sich die Schützen,,Lust“ aus durch die Lust an der Tradition, die Lust an Heimat, Heimatverbundenheit, selbstauferlegter Disziplin, die Lust zu marschieren und natürlich auch die Lust, zu feiern, inklusive die Lust auf Kommunikation und Begegnung. Beste Beispiele für diese positiv umgesetzte Lust sind die Nachmittage auf der Festwiese. Traditionell ist das Festzelt schon besetzt, wenn wir vom Umzug aus der Stadt eintreffen - und dadurch haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und tragen unter freiem Himmel zum einmaligen Charakter unseres Heimatfestes bei. Denn hier auf der Wiese geschieht eine viel stärkere Vermischung der einzelnen Züge und Korps als z.B. im Zelt.
L&L: Wie ist der Status der Schützenlust im Verein und bei den übrigen Korps?
Herbert Geyr: Wir sind keine Vereinsmeier. Einige unserer Züge treffen sich nur einmal im Jahr zu Schützenfest, weil ihre Mitglieder über den ganzen Erdball verstreut sind. Aber zu Schützenfest sind alle wieder da - wie zu einem überdimensionalen Klassentreffen. Heimatverbunden, aber weltoffen. Das ist die Art, die den Geist der Schützenlust und des gesinnungs-liberalen Schützen ausmacht. So viel Disziplin wie nötig - so viel Freude wie möglich, das ist unser Motto. Schützenpolitik liegt uns fern. Das ist übrigens auch der Grund, warum sich die Schützenlust traditionell bei Vereinsversammlungen zurückhält.
L&L: Gutes Stichwort: Die Jahreshauptversammlung des Neusser Bürger-Schützenvereins steht an. Haben die Korpsführer, deren dienstältester Major Du bist, etwas über die Besetzung der vakanten Komiteeposten gehört?
Herbert Geyr: Gehört und auch besprochen. Wir wurden davon in Kenntnis gesetzt, dass Heinz Welter nicht mehr kandidieren wird, aber sich weiterhin als Spendensammler betätigen will. Für ihn wird sein Nachfolger als Sparkassen-Chef, Michael Schmuck, aufgestellt werden, der seit 2009 bei den Sportfreunden im Grenadierkorps mit marschiert. Außerdem werden sich die Herren Ralf Berger, Dr. Heiner Kaumanns und Robert Rath zur Wiederwahl stellen. Aus wichtigem Grunde kann bei dieser Wahl allerdings die als Tradition überlieferte Ehrenordnung des Höchstalters nicht eingehalten werden.
L&L: Hat das Korps Einfluss auf die Wahlen zum Komitee?
Herbert Geyr: Nein, denn nur wenn sich bei Versammlungen viele Mitglieder beteiligen, ist ein Einfluss möglich. Wir würden es natürlich begrüßen, wenn Schützen mit viel Herzblut fürs Schützenwesen und dann noch aus den Reihen der Schützenlust ins Komitee gewählt würden. Um eine besondere Meinungsvielfalt und den Kontakt zur Basis zu gewährleisten, wäre auch eine längere Dienstzeit – zehn bis 20 Jahre - als Schütze nicht von Nachteil. Die Satzung gibt hierüber aber keine Vorgaben. Hier steht nur: ,Die Wahl von 8 bis 10 Mitgliedern erfolgt jeweils auf 3 Jahre, und zwar in der Weise, dass jährlich 1/3 der Herren ausscheiden. ......... Ausscheidende Mitglieder können wiedergewählt werden.`
L&L: Zurück zum Schützenfest 2011. Wie war das Auftreten auf dem Fest?
Herbert Geyr: Wir haben in diesem Jahr wieder ein sehr kompaktes Korps gestellt - wenn wir wirklich 3 Meter Abstand zum Zug voraus und 2 Meter zum Oberleutnant haben, bieten wir ein tolles Bild auf dem Markt und in den Straßen. Und wir tragen damit auch zu kürzeren Umzügen bei. Ich glaube aber auch, dass wir jetzt die maximale Regimentstärke erreicht haben - in Zukunft werden genauso viele oder sogar mehr altersbedingt aufhören, wie junge Schützen nachrücken. Unser Korps trägt auch erheblich zur Belebung des Krönungsumzuges und des anschließenden Balles bei - in diesem Jahr waren wir mit knapp 70 Zügen vertreten. Ich freue mich daher auch, dass eine angedachte Straffung der großen Cour, in der etwa nur jeder zweite Zug seine Ehrenbezeugung machen sollte, wohl vom Tisch ist.
L&L: Stichwort Marschieren: Gibt es neue Erkenntnisse zu den Umzügen und lassen sich diese nicht staufrei organisieren?
Herbert Geyr: Es hat je schon mehrere Versuche vom langsameren Marschieren der Spitze bis hin zu drei Zwischenstopps gegeben. Die längste Standzeit durch geplante Zwischenstopps in diesem Jahr war für uns gestoppte sieben Minuten.
Allerdings ist der Dienstagabend-umzug nach meiner Auffassung komplett gekippt. Es ist schade, dass es gerade da kaum noch ein Kredenzen gibt - stattdessen erwarten die Zuschauer karnevalistische Einlagen der Schützen. Durch den Wandel des Umzuges verzichten schon seit längerer Zeit die meisten berittenen Korpsführer auf ihre Pferde. Wer dennoch reitet, trägt ja auch selber die Verantwortung.
L&L: Beim Königsschuss war seit dem zweiten Weltkrieg zum vierten Mal nur ein Bewerber am Schießstand - immerhin seit 2005 aber schon das dritten Mal. Könnte man das Ermitteln des Königs nicht spannender gestalten?
Herbert Geyr: Ich plädiere dafür, dass die Frist für die Königsbewerber verlängert wird, wenn nur ein Kandidat bekannt ist. Dadurch würden sich bestimmt weitere Königsbewerber motivieren lassen - und an der Vogelstange und auf der Festwiese für die nötige Spannung sorgen. Häufig ist eine Bewerbung schon länger geplant, aber man muss seine Partnerin noch überzeugen und dieses geht am Besten in einer richtigen Kirmesstimmung.
L&L: Vielen Dank für das Gespräch.