Der Zugweg über den Markt ist zur Zeit eine Heilige Kuh
Interview mit Oberst Dr. Heiner Sandmann - erschienen No die Dag (im November) 2007
L&L: Im Regiment wird diskutiert, wie man die Zugwege begrenzen kann. Käme dazu aus Ihrer Sicht ein Aufnahmestopp in Frage?
Dr. Sandmann: Ich habe bislang immer – zuletzt am Oberstehrenabend diesen Jahres - gesagt, dass wir wegen der Länge der Zugwege keinen Aufnahmestopp verhängen werden. Das stetige Wachstum des Neusser Bürgerschützenvereins ist ein positives Zeichen und ich möchte niemanden ausschließen. Die Zugwegverlängerungen in diesem Jahr waren nötig geworden, weil wir an drei Prämissen festgehalten haben: 1. das gesamte Regiment und nicht nur Teile des Regimentes müssen ziehen können, 2. der Umzug soll in der Innenstadt bleiben und 3. es soll am Ende nochmals über den Markt gezogen werden.
L&L: Wie sind Ihre Erfahrungen mit den neuen Zugwegen?
Dr. Sandmann: Wir reden im Grunde nur über geringe Änderungen, nämlich eine Verlängerung der gesamten Zugwege an allen Tagen von 23,7 auf 24,8 Kilometer. Gemeinsam mit den Korpsführern, mit denen wir sehr konstruktiv solche Anliegen besprechen, glauben wir, dass wir am Sonntagnachmittag ab Büttger Straße wieder zum alten Zugweg zurückkehren können. An den anderen Tagen haben sich die Veränderungen meiner Meinung nach bewährt.
L&L: Sie nannten die Führung des Zugweges zweimal über den Markt als bestehenden Eckpfeiler. Woher stammt diese Prämisse?
Dr. Sandmann: Meines Wissens – und das betrifft die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg – war dies immer so. Solange das Regiment aus weniger als 4000 Marschierer bestand, war das auch problemlos möglich. Heute haben wir mehr als 6500 Schützen und Musiker und mir wäre es auch lieber, wir würden nur dort marschieren, wo viele Besucher stehen und die Stimmung gut ist. Zur Zeit ist das Thema „nur ein Mal über den Markt“ aber eine „Heilige Kuh“ und ich vermag im Moment nicht einzuschätzen, ob wir die in naher Zukunft schlachten werden oder wollen.
L&L: Um die Zugwege zu kürzen bzw. nach Attraktivität auszuwählen, müsste man eigentlich nur vom Grundsatz abgehen, über den Markt auf- und wieder abzuziehen. Rein baulich wären doch vier Alternativen denkbar: entweder führt man das Regiment vom Obertor aus direkt von der Stresemannallee auf die Rennbahn, man geht von der Zollstraße am Kreishaus vorbei zum Europadamm, man nutzt den ehemaligen Omnibusbahnhof oder man nimmt die Verlängerung des Glockhammers. Was ist ihr Favorit?
Dr. Sandmann: Der Präsident hat die Idee eines Gegenzugs auf dem Markt aufgeworfen. Ich glaube nicht, dass der Markt im Bereich Löwe dafür breit genug ist. Bei den derzeitigen baulichen Verhältnissen könnte ich mir vorstellen, am Kreishaus vorbei auf den Europadamm zu marschieren. Am besten wäre aber die Lösung, vom Kehlturm aus über den Wendersplatz einen direkten Zugang zur Rennbahn zu schaffen. Aber das ist Zukunftsmusik, der gesamte Bereich wird ja derzeit planerisch diskutiert und man weiß nicht, welches Ergebnis wir bekommen werden.
L&L: Stichwort Wendersplatz – wir in Lust & Leute hatten das Thema Aufstellung schon vor Jahren aufgegriffen – wie beurteilen Sie die Situation heute?
Dr. Sandmann: Wir haben mit den Korpsführern und in der Ablaufkommission darüber gesprochen. In den letzten beiden Jahren ist es wesentlich besser geworden, weil wir den zur Verfügung stehenden Platz an die verschiedenen beteiligten Korps verteilt haben. Seitdem klappt es dort aus meiner Sicht betrachtet gut. Der Platz ist zwar objektiv gesehen zu klein, aber das Regiment bietet einen tollen Anblick, wenn ich dort antreten lasse. Und insbesondere der Gruß der Schützenlust mit dem gezogenen Säbel ist schon ein geniales Bild, das ich immer wieder genieße.
Außerdem bin ich zwar manchmal als Perfektionist bekannt, der wenig dem Zufall überlässt, aber in diesem Bereich stört mich die alljährliche Improvisation nicht. Ich möchte ehrlich gesagt nicht mit Maßband und Kreide den Platz vermessen – Schützenfest soll bei allen Regeln, für deren Einhaltung ich nun einmal verantwortlich bin, in erster Linie Spaß machen.
L&L: Sie haben Ihr siebtes Schützenfest als Oberst gefeiert. Man kann den Eindruck gewinnen, dass Sie mittlerweile richtig auf den Geschmack gekommen sind?
Dr. Sandmann: Die Reaktionen aus den Reihen der Schützen sind durchweg positiv. Ich will den Schützen nahe und ansprechbar für alle sein und habe den Eindruck, dass mir das gut gelingt. Ich habe im Vorfeld meiner Wahl gesagt, dass man das Amt des Oberst mindestens für zehn Jahre bekleiden muß, um sich einzuarbeiten, aber auch im etwas bewirken zu können. Mein Vorgänger Ehrenoberst Josef Bringmann, dem ich heute noch für die hervorragende Einarbeitung und Hilfen dankbar bin, hat das Amt 14 Jahre ausgefüllt. Ich fühle mich wohl als Bindeglied zwischen Komitee und den Korps und hoffe, dass das auch bei den Schützen so rüberkommt. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch meinen Adjutanten Volker Schmittke nicht vergessen. Wir treten als Team auf und es macht uns riesig Spaß, schließlich kannten wir uns zuvor nur aus dem Schützenwesen.
Außerdem haben wir das regelmäßige Korpsführer-Reiten eingeführt, zu dem alle Berittenen eingeladen werden, und einen Ausflug für die Korpsführungen haben wir in diesen Jahre auch angeboten. Das ist unser Dankeschön an die Korpsspitzen, die auf den eigenen Veranstaltungen immer in der Pflicht stehen und sich selten aufs Feiern konzentrieren können.
L&L: Wie beurteilen Sie die Beteiligung der verschiedenen Korps beim diesjährigen Krönungsball?
Dr. Sandmann: Grundsätzlich würde ich mich über eine noch größere Beteiligung freuen, wenn es darum geht, unseren König zu ehren. Aber offenbar hat es im Vorfeld Unklarheiten gegeben, wie viele Chargierte pro Korps an der „Großen Cour“ teilnehmen dürfen. Ich vertrete hier aber die Ansicht, dass jeder Chargierte, der den Chargierten- und den Krönungszug mitgemacht hat, auch das Recht hat, an der Großen Cour teilzunehmen. Im übrigen bin ich mit sicher, dass der neue König sich über jeden Gratulanten freut, auch wenn es etwas länger dauert!
L&L: Aus gegebenem Anlaß: Gab es beim diesjährigen Fackelzug Anlaß zur Kritik? Falls ja – welche?
Dr. Sandmann: Ja, es gab Kritik vom Komitee, denn entgegen einer schon lange bestehenden Vereinbarung waren in zwei Zügen – einer im Jägerkorps und einer in der Schützenlust – lebende Personen auf den Fackeln. Wir wünschen dies aus zwei Gründen nicht, denn zum einen ist die Unfallgefahr wesentlich höher (und wir wissen alle, dass beim Fackelzug auch nicht immer alle Schützen nüchtern sind), zum anderen möchten wir auch keine „Eventfackeln“, sondern Themenfackeln, die die Tradition der beleuchteten und bewegten Motivfackel einfallsreich aufnehmen.