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Der Antrag

 

Für einen zukunftsfähigen Neusser Bürger-Schützen-Verein

 

Liebe Schützenfreunde,

liebe aktive Mitglieder

des Neusser

Bürger-Schützen-Vereins,

 

für die diesjährige Jahreshauptversammlung 2022 haben wir, fünf Schützen aus den Reihen des Schützenlustzuges Fein Raus, den Satzungsänderungsantrag “Für einen zukunftsfähigen Neusser Bürger-Schützen-Verein” eingereicht. Unsere Überlegungen wollen wir Euch heute erklären und unseren Antrag begründen.

 

Im kommenden Jahr wird der Neusser Bürger-Schützen-Verein 200 Jahre alt. 200 Jahre begründen eine lange und beeindruckende Tradition, auf die wir zurecht stolz sein dürfen. Für uns ist dieses Jubiläum aber auch ein Anlass, unser Traditionsverständnis einmal klar zu definieren. Wir haben uns gefragt: Was macht unsere Tradition aus?

Zu unserem Verein und vor allem zum jährlichen Fest gehören sicher viele Traditionen: Das sind bestimmte Veranstaltungen; sei es die Zog-Zog-Versammlung, der Zapfenstreich oder der Krönungsball. Dazu gehört das Abhalten von Schieß- und Reitwettbewerben vor und während des Schützenfestes. Zweifelsohne gehört dazu auch das Marschieren in historischen Uniformen, zu festlicher Musik und der Schuss auf den Königsvogel. Elementarer Bestandteil ist aber auch das Zusammenkommen von Freunden an einem bestimmten Termin in der Heimatstadt, die gemeinsame Vorfreude und das gemeinsame Feiern, das Erhalten von Freundschaften und ein besonderes Gemeinschaftsgefühl in unserer Stadt. Noch viel mehr ließe sich nennen, was unsere Tradition definieren kann…

Was für uns nicht Teil unseres Traditionsverständnis ist, ist die Tatsache, dass nur Männer bei einem Großteil dieser Veranstaltungen eine aktive Rolle einnehmen dürfen. Der entscheidende Teil einer erhaltenswerten Tradition ist es aus unserer Sicht nicht, die Form der Mitgliedschaft an das Geschlecht zu knüpfen.

Damit Traditionen und Brauchtum weitergelebt werden, sollten sich diese auch in der Lebenswirklichkeit derjenigen wiederfinden, die daran teilnehmen und sie in Zukunft weitertragen sollen. Auch lang gereifte Traditionen können und dürfen sich gesellschaftlichem Wandel nicht entziehen, sonst laufen sie Gefahr, dass die Gesellschaft ihnen ihre Relevanz entzieht. Tradition darf nicht nur um ihrer selbst willen versteinern. Veränderungen sind dabei mitnichten das Ende von Traditionen. Beispiele dafür gibt es viele: Denken wir an militärische Traditionen in den Streitkräften - heute dienen auch Frauen in der Bundeswehr. Denken wir an politische Ämter, die vor 200 Jahren fast gänzlich Männern vorbehalten waren. Aber schauen wir auch auf Handwerk, Arbeit und Beruf, in denen lieb gewonnene Traditionen bis in unsere Zeit überdauert haben, obwohl, nein, gerade weil sie sich für alle Menschen geöffnet haben.

Das Leitbild des Neusser Bürger SchützenVereins von 2020 spricht von einer Erfolgsgeschichte, die er “fortschreiben will – in einer Gemeinschaft, für die Traditionsbewusstsein und Aufgeschlossenheit für gesellschaftliche Entwicklungen zusammengehören.” Dieser Aufgeschlossenheit bedarf es nun zur Überwindung veralteter Rollenbilder.

 

Der Schützenverein und das Schützenfest haben für Neuss einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Die Bedeutung erstreckt sich auch in Bereiche der Politik und der Wirtschaft - denn der Verein ist auch ein großes Netzwerk, in dem Entscheidungen getroffen werden. Dieser Verein sollte deswegen unserer Meinung nach auch eine Vorbildfunktion einnehmen. Welches Bild aber senden wir als Verein in die Neusser Kindergärten und Schulen? Ein Bild, in dem Jungs am Fest aktiv teilnehmen, einen Schützenzug gründen dürfen und so ihren Freundeskreis und ihre Heimatverbundenheit durch diese Organisation festigen können. Mädchen im gleichen Alter sind von all diesem aber ausgeschlossen.

Ihre Aufgabe ist es, Blümchen zu bringen. Sie haben nicht die gleichen Möglichkeiten, frei zu wählen, wie sie ihr Schützenfest feiern wollen. Das sind unsere Freundinnen, Schwestern, Töchter, Nichten. Das sind Frauen, die in unserer heutigen Gesellschaft Bundeskanzlerin, Offizierin, Feuerwehrfrau und Mechanikerin werden dürfen. Es zeichnet ein Bild von veralteten Rollenbildern, das wir mit dieser Vereinsstruktur festigen und so junge Generationen prägen. Diese Botschaft steht der Gleichberechtigung diametral entgegen. Mädchen und Frauen können selbstverständlich genauso wie wir Männer Traditionen unseres Schützenvereins pflegen, beschützen und weitertragen.

Weil wir unseren Schützenverein zukunftsfähig machen wollen, weil wir das Leitbild und die “Aufgeschlossenheit des Schützenvereins gegenüber gesellschaftlichem Wandel” wörtlich nehmen, weil wir allen Bürgerssöhnen und Bürgerstöchtern der Stadt die gleichen Entscheidungsmöglichkeiten über ihre Teilnahme geben wollen, beantragen wir die vorliegende Satzungsänderung. Wir wollen Gleichberechtigung in unserem Schützenverein. Wir wollen mit dieser Satzungsänderung die Voraussetzung dafür schaffen, dass nicht mehr nur „Bürger und Bürgerssöhne“, sondern alle Bürgerssöhne und Bürgerstöchter der Stadt aktive Vereinsmitglieder werden können. Denjenigen Frauen, die sich eine aktive Teilnahme am Schützenfest wünschen, wollen wir diese Wahlmöglichkeit endlich geben.

Wir wollen die Erfolgsgeschichte des NBSV weiterschreiben und dafür schon heute die notwendigen Veränderungen angehen, die unserem Verein in Zukunft dieselbe gesellschaftliche Bedeutung bringen, die sie aktuell hat. Unsere tiefe Überzeugung ist, dass der Verein nur mit einer Öffnung seiner Verantwortung als Vorbild für eine Gesellschaft der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen gerecht werden kann. Genauso ist es unsere tiefe Überzeugung, dass sich der Charakter des Schützenfestes durch die Aufnahme von Frauen in den Verein nicht ändern würde. Prinzipien des uniformen Aussehens der Corps, des geordneten Ablaufes des Festes oder der individuellen Aufnahmeregelungen eines jeden Zuges blieben selbstverständlich genauso bestehen wie eh und je. Ein Schützenfest mit Frauen als aktive Mitgliederinnen sähe im Kern nicht anders aus als die Schützenfeste der vergangenen Jahre. Unsere Tradition bleibt erhalten und sie wird weitergetragen.

Lasst uns gemeinsam für einen zukunftsfähigen Schützenverein in seinem dritten Jahrhundert arbeiten und einstehen! Mehr Schützenfest für alle.

 

Die Antragsteller

Max Nelles, Clemens Hüsch,

Tim Berning, Felix Piel

und Simeon Breuer

(aus dem Schützenlustzug Fein Raus)

Rückmeldung und Anregungen an: feinraus2012@gmail.com

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