Feindbild Schütze: ,,Jeder muss mit seinen Argumenten kämpfen!"
Schützenpräsident Thomas Nickel ist verärgert über das neue ,,Feindbild Schütze“ in der Diskussion um städtische Zuschüsse
(nb). Die Kasse ist leer: Dank einer kräftigen Gewerbesteuer-Rückzahlung, die überraschend fällig wurde, und schwerer Verluste bei Börsen-Zockereien muss die Stadt Neuss den Gürtel deutlich enger schnallen. Kein Wunder also, dass in den letzten Wochen diverse kursierende Sparlisten für mächtiges Aufsehen und deutlichen Protest sorgten.
Besonders lautstark unterwegs waren dabei die Mitarbeiter des Rheinischen Landestheaters und anderer Kulturinstitutionen in Neuss. Mit vielen spektakulären Aktionen machten sie auf ihre Notsituation aufmerksam und malten den Untergang der Kulturstadt Neuss an die (Theater-)Wand. Beliebtes Feindbild bei diesen Aktionen: Die Neusser Schützen, deren städtischer Gesamtzuschuss von 144.500 Euro nicht verringert werden sollte. „Schütze müsste man sein, die sind unantastbar in Neuss“, so die immer wiederkehrende Melodie im Klagelied der Neusser Kulturschaffenden und ihrer publizistischen Mitstreiter.
Diese Frontstellung ärgert keinen mehr als Schützenpräsident Thomas Nickel: „Es stimmt mich sehr traurig, wenn hier von einer Seite ein Feindbild aufgebaut wird. Schützen sind auch Kulturliebhaber und dieses Aufrechnen ist unfair und ungerecht. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.“ Schließlich handele es sich bei dem Zuschuss für die Schützenfeste der gesamten Stadt Neuss (auf das Fest in der Innenstadt entfallen nur 65.500 Euro) um eine Unterstützung ehrenamtlicher Tätigkeit, die Gelder für die Theater hingegen seien eine öffentliche Subvention überwiegend hauptamtlicher Arbeit.
Seit 16 Jahren, so Nickel weiter, sei der Zuschuss der Stadt für die Schützen nicht mehr erhöht worden, die Kosten für das Fest dagegen von Jahr zu Jahr deutlich gestiegen. Allein 250.000 Euro seien jährlich nur vom Neusser Bürger-Schützenverein für Musikkosten zu berappen. Zudem habe der Schützenverein einst zugunsten eines städtischen Zuschusses auf die Einnahmen durch die Standgebühren der Fahrgeschäfte und Buden auf dem Rummelplatz verzichtet. Der städtische Zuschuss sei also faktisch nur eine Abstandszahlung auf die entgangenen Einnahmen. „Ich weiß sehr genau, warum unsere Schützenkollegen in Düsseldorf auf die Kirmesplatz-Einnahmen bis zum heutigen Tag nicht verzichten“, so Nickel. Sehr sorgfältig werde beim Neusser Schützenfest mit dem Geld hausgehalten, auch neue Einnahmequellen, wie die Vermarktung der Zuwege seien erschlossen worden. „Aber wir müssen immer aufpassen, das der Charakter der Festes nicht verletzt wird. Es wird keine Werbung auf dem Markt geben und auch keine VIP-Logen im Festzelt.“
Gleichzeitig wies der Präsident auf den überragenden Werbewert hin, den das Fest für die Stadt Neuss habe. „Schützenfest“, das sei weltweit ein Synonym für diese Stadt, ein Markenzeichen mit einem hohen Werbeeffekt und ein Wirtschaftsfaktor, der jährlich für zusätzliche Wirtschaftsleistung in Millionenhöhe in dieser Stadt sorge. Thomas Nickel: „Und das alles durch ein Fest, das seine Akteure, sprich die einzelnen Schützen, fast ausschließlich selber finanzieren seien es die Uniformen, seien es die Blumenhörner, seien es die Gewehre.“ Da von einem überhöhten Zuschuss zu sprechen sei wirklich unangebracht und eher verletzend. Doch die Betrachtung auf das Schützenfest allein sei nur eine Seite der Medaille.
„Das Netz an Solidarität und Hilfsbereitschaft, das dank der Schützen über diese Stadt gespannt ist, kann mit Geld gar nicht aufgewogen werden. Was in den einzelnen Zügen, Corps und Gemeinschaften an Gemeinsinn gelebt wird, entlastet die Stadt in jeder Beziehung. Da wird in der Regel nicht viel Wind drum gemacht, das passiert einfach, oft stillschweigend und im Verborgenen. Aber wenn dieses Netzwerk in unserer Stadt nicht mehr existieren würde, wäre Neuss um ein Vielfaches ärmer.“
Gerade deshalb hätten so viele Schützen mehr als verständnislos auf die Angriffe aus dem Kulturbereich reagiert. Thomas Nickel: „Die Schützen sind für eine lebendige Theaterlandschaft in Neuss. Aber jeder muss doch für sein Anliegen mit eigenen guten Argumenten kämpfen und nicht, indem er mit dem Finger auf andere zeigt.“ Auch er freue sich, dass am Ende die Kürzungen im Kulturbereich deutlich geringer ausgefallen seien, als ursprünglich befürchtet. „Dafür haben im übrigen viele aktive Schützen die Hand gehoben. Vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen für ein neues Miteinander.“
Erschienen in ,,Lust & Leute" vör die Dag, Juli 2007