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Das Interview führte Notker Becker für die Ausgabe 1-2012, erschienen im Juli 2012

Rainer II. und Petra Halm

Festwiese 2011: Rainer II. und Petra Halm werden von Schützenpräsident Thomas Nickel vorgestellt. Foto: N. Küpping

Moderne Tradition statt Revolution

L&L: Herr Halm, Sie hatten 1990 und 1991 mit recht jungen Jahren bereits zweimal ohne Erfolg die Königswürde angestrebt, was waren die Beweggründe?
Rainer Halm: Ich wollte mit meinen Bewerbungen zeigen, dass die Jugend auch damals keine Null-Bock-Generation war, sondern bereit war, auch die höchsten Ämter des Neusser Schützenfestes anzustreben...Petra Halm: Aber im nach hinein ist es besser, dass es damals nicht geklappt hat. Jetzt, wo die Kinder groß sind, können wir das Königsjahr besser genießen. Und das tun wir vom ersten Tag an. Wir haben sehr gerne die vielfältigen Termine in Anspruch genommen. Von den Zugveranstaltungen, über die Schützenfeste in den einzelnen Stadtteilen bis hin zu den karitativen Anfragen. Da kommen vielfältige Eindrücke zusammen.

L&L: Haben sie denn neue Aspekte des Schützenwesens kennen gelernt?
Rainer Halm: Ja und Nein. Ich habe das Schützenwesen nicht grundsätzlich neu entdeckt, dafür bin zu lange auch in verantwortlichen Positionen dabei. Da weiß man schon,  was der Kern des  Schützenwesens ist. Aber wir haben an vielen Stellen tiefere Einblicke in die Züge, Korps und Gesellschaften erhalten.  Die Vielfalt der Veranstaltungen, die Fantasie und Herzlichkeit beeindrucken schon sehr. Zudem ist der Blick auf einen selbst ein ganz anderer. Man steht nicht wie sonst am Rand, sondern im Mittelpunkt, wird manchmal im wahrsten Sinne des Wortes hofiert.

L&L: Wer, der Schützenkönig oder Rainer Halm?
Rainer Halm: Natürlich geht es dabei in erster Linie um den Schützenkönig, nicht um die Person Rainer Halm. Das Amt nimmt in Neuss eine herausragende Stellung ein, die Wertschätzung der Schützen ist immens, aber nicht nur die der Schützen, sondern der Menschen in Neuss insgesamt. Der Titel ‚Schützenkönig der Stadt Neuss’, der auf der Standarte steht, spiegelt die Realität schon gut wieder.

L&L: Wie geht man damit um?
Petra Halm: Es ist am Anfang schon ein wenig befremdlich, wenn Menschen, die man nur flüchtig, oder überhaupt nicht kennt, auf einen zukommen, gratulieren, Hände schütteln …
Rainer Halm: …oder einen mit Majestät ansprechen. Denn man selber denkt, ich bin doch nicht anders, bloß weil ich jetzt Schützenkönig bin. Aber man gewöhnt sich an diese Rituale und schätzt sie mit der Zeit. Auch weil sie zeigen, wie lebendig das Brauchtum bei uns ist. Man nimmt das Amt an und will Vorbild sein. Manchmal bleibt der Eindruck, der Schützenkönig gilt in Neuss mehr als der Bürgermeister, Es gibt zum Beispiel viele Anfragen zu Schirmherrschaften, die nicht mit Schützenfest zu tun haben. Das ehrt uns sehr.

L&L: Manche Schützenkönige wollten dem Amt einen eigenen Stempel aufdrücken, wie ist Ihre Position?
Rainer Halm: Ich bin kein Revolutionär, keiner der Opposition um der Opposition willen anstrebt. Ich stehe für moderne Tradition, lasse mich in die Pflicht nehmen und gehe die Dinge offen und gradlinig an. Und sollte doch einmal Diskussionsbedarf vorhanden sein, kann man Dinge auch ,rheinisch´ lösen.

L&L: Ein Beispiel?
Rainer Halm: Offiziell gibt es zum Beispiel ‚das Schützenkönigspaar’ überhaupt nicht – einen Begriff den ich gerne benutzt hätte, weil wir unser Königsjahr gemeinsam bestreiten. Es gibt aber nur die ‚Gemahlin des Schützenkönigs’. Also habe ich meine Frau kurzerhand zu ‚meiner Königin’ ernannt und das Problem war gelöst.
Petra Halm: Wir fühlen uns auch nicht in ein Korsett gepresst oder eingeengt. Im Gegenteil, das Komitee ist zu Stelle, wenn man es braucht, und gibt jede Hilfestellung.
Rainer Halm: Allerdings hatten wir auch klare Vorstellungen, wie wir unser Jahr gestalten wollten, von daher war der Klärungsbedarf überschaubar. Es gibt einen Rahmen, der vorgegeben ist und das ist auch gut so, denn – wie schon erwähnt – das Amt ist wichtiger als die Person. Was die Symbolik des Festes und seine Abläufe angeht, bin ich eher Hardliner, aber das  heißt ja nicht, dass man keine eigenen Akzente setzen kann. Aus alter Wurzel neue Kraft und frische Triebe – so lautet meine Devise. Und hier habe ich 100.000 Ideen und nur 365 Tage, um sie umzusetzen.

L&L: Nennen Sie uns eine der Ideen, die Sie umsetzen.
Rainer Halm: Ich werde bewusst die Zahl der Orden drastisch zurückschrauben. Der Königsorden ist für mich eine besondere Auszeichnung und kein Give away. Ich habe mich mit den einzelnen Korps zusammen gesetzt, und wir sind jeden einzelnen Zug durchgegangen und haben die Ordensträger festgelegt. Jeder Ordensträger erhält über seine Zugleitung eine von mir persönlich unterschriebene Karte (Muster siehe Seite 10), dass er den Orden als Zeichen meiner Wertschätzung erhält und ihn bitte auch persönlich am Königsehrenabend in Empfang nehmen möge. Sollte er nicht anwesend sein können – es ist ja zum Beispiel noch Ferienzeit, - so kann er gerne einen Vertreter benennen, der den Orden stellvertretend für ihn persönlich in Empfang nimmt. Orden, die am Königsabend nicht persönlich abgeholt werden, verfallen sozusagen.

L&L: Wenn man noch die Orden abzieht, die üblicher Weise die vielen Helfer und Unterstützer rund um das Fest erhalten, dann bleiben aber nicht mehr viele Orden für die Schützen übrig…
Rainer Halm: Es erhalten nur aktive Marschierer einen Orden. Den vielen anderen Menschen, die sich rund um das Schützenfest verdient machen, wird anders gedankt. So sind wir zum Beispiel ins Zeltlager der Malteser-Jugend nach Gummersbach gefahren und haben sie mit T-Shirts ausgestattet.

L&L: Können Sie uns schon etwas über Ihren Orden verraten?
Rainer Halm: Der Orden ist dreidimensional und erzählt eine Geschichte. Die eine Seite ist die Seite des Schützen, die andere Seite zeigt die Lebenslinie -  oder anders gesagt, es gibt eine ‚offizielle’ Seite und eine, die dem Herzen zugewandt ist. Lasst Euch überraschen. Außerdem werden wir nur einen kurzen Umzug am Königsehrenabend haben, damit die Schützen schnell in die Stadt können um zu feiern. Denn die Stadt muss an den Ehrenabenden mit Leben erfüllt sein.

L&L: Was liegt Ihnen noch am Herzen?
Rainer Halm: Wichtig ist mir auch der Fackelbau. Ich bin oft einfach so in den Fackelbauhallen und schaue mir die Fortschritte bei den einzelnen Zügen an. Offenbar schaffen wir ja die 100 Großfackeln, die ich mir gewünscht habe.  Auch hier werde ich mich bei jedem Fackel bauenden Zug bedanken.

L&L: Gibt es etwas, das Sie in Ihrem Königsjahr überrascht hat?
Rainer Halm: Nach 23 Ehejahren, in denen man ja doch sehr auf die Kinder fixiert war und vieles zurückstellte, hat das Königsjahr noch einen tollen Nebeneffekt gehabt. Wir haben als Paar selten so viel für uns und zusammen gemacht. Wir haben tolle gemeinsame Erlebnisse gehabt, darüber geredet und diskutiert und gemeinsam geplant und gelacht.
Petra Halm: Das Königjahr hat uns neu zusammengeschweißt und sicherlich eine neuen Lebensabschnitt für uns beide begründet.

L&L: Das Königsjahr geht am Kirmesdienstag zu Ende, den Hauptmannsposten bei den Grenadieren haben Sie niedergelegt. Welche Aktivitäten plant der einfache Schütze Rainer Halm für ‚noh die dag’.
Rainer Halm: Nach dem Schützenfest möchte ich gemeinsam mit Präsident Thomas Nickel noch ein wichtiges Projekt angehen. Ich möchte gerne dokumentieren, welche Züge und Personen aus dem Schützenwesen in welcher Form Gutes tun. Da kommt sicherlich einiges zusammen. Denn die Schützen und auch die Karnevalisten sind in diesem Bereich das ganze Jahr über aktiv in unserer Stadt. Sie sind unser soziales Gewissen. Und Neuss wäre um vieles ärmer, wenn es sie nicht gäbe. Nur dokumentiert ist das nirgendwo. Diese Lücke möchte ich schließen. Auch um denjenigen, die immer an den Zuschüssen für die Schützen herummäkeln und uns nur als feierwütige Biertrinker darstellen, belegbare Argumente entgegen halten zu können.