Markus und Susanne Reipen
L&L: Herr Reipen, wie ist es zu der ungewöhnlichen Situation gekommen, dass am letzten Schützenfestdienstag Vater und Sohn gegeneinander angetreten sind?
Markus Reipen: Das ganze hat angefangen am Donnerstag vor Schützenfest. Da hat die Zugleitung der Scheibenschützen beim Löhnungsappell deutlich gemacht, dass es doch schön wäre, wenn im Jahr des 600jährigen Jubiläums ein Scheibenschütze Schützenkönig sei und hat den Aufruf gestartet, sich zu melden. Da habe ich zum ersten Mal gedacht, das wäre doch was für meinen Vater und habe ihn später dann auch angesprochen. Meine Eltern sind beide 70 Jahre alt geworden, das wäre doch ein schönes Geschenk, habe ich gesagt, zumal ich ja erlebt habe, wie sehr die beiden ihr Königsjahr in Grimlinghausen genossen haben. Ich habe dann nicht locker gelassen und vor dem Fackelzug – nachdem wir uns bei Ex-Majestät Jörg Antony mal nach den finanziellen Rahmenbedingungen erkundigt hatten – hatte ich ihn überzeugt. Er hat zugestimmt, aber unter einer Bedingung: Ich musste mitschießen.
L&L: Und Sie haben eingeschlagen?
Markus Reipen: Sofort. Ich war ziemlich entspannt, denn ich hatte bei verschiedenen Schießwettbewerben noch nie etwas gewonnen. Am Rande des Fackelzuges haben wir es dann unseren Frauen gesagt.
L&L: Und wie haben die reagiert?
Markus Reipen: Beide haben zugestimmt. Meine Mutter mit leichten Sorgenfalten, meine Frau ohne Wenn und Aber.
L&L: Warum?
Susanne Reipen: Ich habe ja auch gedacht, er hat noch nie etwas bei solchen Wettbewerben gewonnen, das klappt wahrscheinlich eh nicht. Im übrigen: Wir haben einen Handwerksbetrieb, da ist man eh gelassen und ich habe mir gesagt, wenns trotzdem einer aus der Familie wird, werden wir schon Spaß haben.
L&L: Aber die Nervosität kam doch sicherlich vor dem Schießen?
Susanne Reipen: Nein, so richtig auch nicht. Die Scheibenschützen hatten mir zwei Adjutanten zur Seite gestellt, aber die waren nervöser als ich und ich mußte sie ständig beruhigen.
L&L: Und bei Ihnen, Herr Reipen?
Markus Reipen: Beim Schießen ist man dann schön nervös, allerdings hatte ich nach meinem vorletzten Schuss eigentlich geglaubt, dass ich überhaupt nicht mehr zum Zuge komme, weil das Holz ziemlich gesackt war. Als ich dann aber noch einmal schießen durfte und der Vogel fiel, habe ich nur gedacht: Auch du Scheiße, was machst du hier, hast du sie noch alle. Der restliche Dienstag ist dann wie ein Film an mir vorbeigelaufen, erst als wir in der Nacht nach Hause kamen und auf einmal die Königskette auf der Fensterbank lag, hab ich sie mehrmals angeschaut und gedacht: Mensch, du bist wirklich Neusser Schützenkönig.
L&L: Wie hat Ihr Vater es denn aufgenommen?
Markus Reipen: Er hat sich gefreut und auch das ganze Königsjahr über zusammen mit meiner Mutter an vielen Stellen mitgefeiert – obwohl wir im Wettbewerb Konkurrenten waren und gegeneinander geschossen haben. Absprachen oder ähnliches, was ja mancher vermutet hat, gab es nicht.
L&L: Und wie haben Sie das Jahr erlebt?
Susanne und Markus Reipen: Ein einziger Ablauf von Glücksmomenten. Dieses Jahr war und ist ein großes Geschenk, das wir erleben dürfen. Vor allem war uns vor einem Jahr gar nicht bewußt, was da auf uns zukommt. Umso toller war es.
L&L: Was meinen Sie konkret?
Markus Reipen: Wir erleben so viele tolle Momente, eine Vielfalt und einen Zusammenhalt unter den Schützen, aber auch den anderen Menschen, die wir kennengelernt haben. Das ist sehr bereichernd, wunderschön und oftmals echt lustig. So drückte mir ein Mädchen beim Besuch der Görresschule ein Briefchen in die Hand, darin stand: Der König ist der Beste und meine Mami mag ihn auch.
L&L: Frau Reipen, müssen wir uns Sorgen machen?
Susanne Reipen (lacht): Nein, nein, alles ok. Es ist schon toll, wie viele Facetten von Neuss und des Schützenfestes man kennen lernt. Zuletzt waren wir bei einem Grenadierzug, der schießt seinen König mit Pfeil und Bogen aus.
L&L: Hat sich das Königsjahr denn auch auf Ihr Hobby, das Motorradfahren, ausgewirkt?
Markus Reipen: Bei einem Rennen in Holland hatte man mir doch tatsächlich eine Krone auf den Helm montiert. Die Niederländer waren sichtlich beeindruckt. Aber leider hat das keine Auswirkungen auf die Platzierung gehabt.
L&L: Verändert einen so ein Jahr?
Markus Reipen: Mir hat es auch für die Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit sehr geholfen. Ich habe deutlich an Souveränität gewonnen. Die freie Rede fällt mir wesentlich leichter, ich bewege mich viel unbefangener unter Menschen und gehe offen und interessiert auf sie zu.
L&L: Haben Sie noch ein besonders Anliegen in Ihrem Königsjahr?
Markus Reipen: In Neuss ist das Schützenfest ja sehr bekannt, aber ich stelle fest, dass es bei Neubürgern und vor allem deren Kindern noch Defizite, was Schützenfest angeht, gibt. Deshalb hatten Reitersieger Axel Hebmüller und ich die Idee ein Kinderschützenfest zu initiieren, das am 16. August rund um die Münsterkirche stattfinden wird. Es richtet sich vor allem an Kinder, die neu hinzugezogen sind, aber auch an behinderte und alte Menschen. Es ist schön, dass viele Kameraden und Freunde aus den anderen Korps bei dieser Idee so toll mitziehen und helfen, dass es ein unvergesslicher Tag werden kann.
L&L: Was wird genau passieren?
Markus Reipen: Ich will nicht alles verraten, aber die Korps werden sich präsentieren, es gibt Pappfiguren mit Uniformen zum Ausmalen und auch die Tambourkorps können um Nachwuchs werben. Mit den Älteren werden bei Kaffee und Kuchen im Kardinal-Frings-Haus Lieder gesungen und es gibt auch einen kleinen Umzug um die Münsterkirche. Ich lade alle auch auf diesem Wege herzlich ein zu kommen und mitzutun.
L&L: Zum Schluss die unvermeidliche Frage nach Königsorden und Königsgeschenk?
Markus Reipen: Mein Königsorden, widmet sich ganz den Scheibenschützen, die in diesem Jahr ihr 600jähriges Jubiläum feiern. Beim Königsgeschenk werde ich mich einem unverzichtbaren Krönungsutensil widmen, das einer gewissen Aufmöblung bedarf.
L&L: Was bleibt als Motto über ihrem Königsjahr?
Susanne und Markus Reipen: Zeit ist das höchste Gut, das wir haben. Lassen wir sie nutzen und Spaß haben und die tollen Erlebnisse, die sie uns bietet, genießen.