Rainer III. und Andrea Reuss
L&L: Herr Reuss, wann ist der Entschluss gereift, Schützenkönig in Neuss zu werden?
Rainer Reuss: Der Wunsch, Schützenkönig in Neuss zu werden, war bei mir eigentlich immer vorhanden. Den konkreten Entschluss, es im Jahr 2013 zu versuchen, haben meine Frau und ich am Samstag vor Schützenfest bei einem guten Glas Wein in Leon´s Weinzeiten auf dem Glockhammer gefasst. Wir haben noch einmal alles durchgesprochen und fanden, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war. Schön war auch, dass just in diesem Moment meine Eltern in das Lokal kamen und wir Ihnen von unserem Entschluss berichten konnten. Sie waren sehr gerührt und haben sich sehr gefreut, dass ich antreten wollte.
L&L: Warum war das Jahr 2013 richtige Zeitpunkt?
Rainer Reuss: Wir sind beide jetzt genau im richtigen Alter, um das Königsjahr auch in vollen Zügen genießen zu können. Zudem sollten meine Eltern, die vor 31 Jahren das Neusser Schützenfest als Königspaar repräsentiert haben, dieses Jahr ebenfalls bewusst erleben können. Zudem hatte ich die Rückendeckung meines Arbeitgebers für einen Versuch im Jahr 2013.
L&L: Frau Reuss, wussten Sie, von den schützenfestlichen Ambitionen ihres Gatten?
Andrea Reuss: Ja, eigentlich seitdem wir uns kennen gelernt haben. Das war im Herbst 2006 bei einem Schokolade- und Weinseminar in Düsseldorf. Wir sind ins Gespräch gekommen, und von Anfang an hat mein Mann auch von Schützen und Schützenfest berichtet. Das war mir zunächst allerdings etwas suspekt.
L&L: Warum?
Andrea Reuss: Ich stamme dem Ruhrpott, aus Oberhausen, da kennt man Schützenfest in der Größe und Bedeutung wie in Neuss nicht. Einen ersten Eindruck, welchen Stellenwert das Schützenfest in Neuss hat, habe ich bereits wenige Tage nach unserem Kennenlernen im November 2006 auf dem Hubertusball bekommen, zu dem mich Rainer damals spontan eingeladen hatte. Ich kam damals mit dem schönsten Kleid, das ich im Schrank hatte und ich fühlte mich trotzdem vollkommen underdressed. Die Damen trugen wunderschöne Abendkleider. In Oberhausen hatte ich nie einen Anlass, oder Gelegenheit, ein Abendkleid zu tragen und besaß somit auch keins.
Die ganze Dimension des Schützenfestes wurde mir dann an den Kirmestagen 2007 klar, danach wusste ich, was dieses Fest für die Stadt Neuss bedeutet. Die Spätzünder, der Hubertuszug meines Mannes, hat mich sehr nett aufgenommen. Für mich war es dann auch überhaupt kein Problem, dieses Fest auch einmal zu repräsentieren.
L&L: Herr Reuss, was war denn Ihre Motivation die Königswürde anzustreben?
Rainer Reuss: Es gibt nicht nur einen Grund. Es kommen viele Punkte zusammen. Sicherlich habe ich noch ein wenig in Erinnerung, wie viel Freude meine Eltern in ihrem Königsjahr gehabt haben. Andererseits bin ich sehr mit dem Schützenwesen verbunden und habe hier immer viel Freude erlebt. Außerdem feiere ich gerne. Das alles wollte ich einmal aus einer anderen Perspektive erleben. Sicherlich war ich auch neugierig auf das, was mich erwartet.
L&L: Sie hätten es in anderen Jahren ja leichter haben können, Schützenkönig zu werden, diesmal gab es ja sogar einen echten Wettkampf.
Rainer Reuss: Alleine hätte ich nicht schießen wollen. Ich habe den Wettkampf sehr genossen, es hat Spaß gemacht. Man kann das auch gut auf den Wettkampf-Bildern erkennen. Geübt habe ich vorher nicht. Es ist zu einem großen Teil auch Glück, ob man es wird. Dieses Glück habe ich gehabt.
Andrea Reuss: Ich hatte einen Puls von 180, es war total spannend und es ist doch toll, dass mein Mann nach so einem schönen Wettkampf Schützenkönig geworden ist.
L&L: Wie sind Sie ihr Königsjahr angegangen?
Rainer Reuss: Wir haben gesagt, wir lassen uns überraschen.
L&L: Wurden Sie überrascht?
Andrea Reuss: Das ging schon am Morgen nach dem Königsschuss los. Als ich morgens ein paar Kleinigkeiten bei Penny einkaufen war, stand die Kassiererin auf und begrüßte mich: ‚Guten Morgen Majestät‘. Solch schöne Erinnerungen haben wir viele. Nach dem Kappessonntags-Umzug, bei dem wir bei den Blauen Funken auf dem Wagen Kamelle geworfen hatten, vermisste ich meine Handtasche. Dies bekam eine Polizeistreife mit. Die haben uns dann in ihrem Streifenwagen mitgenommen und sich in der Einsatzleitstelle mit den Worten abgemeldet: ‚Wir haben einen Einsatz, die Schützenkönigin vermisst ihre Handtasche, wir fahren das Königspaar zur Bockoltstraße, wo die Karnevalswagen parken.‘ Dann haben sie uns dorthin gefahren, ich habe meine Handtasche wieder gefunden und anschließend wurden wir von der Polizei zu unserem nächsten Termin abgesetzt.
Rainer Reuss: Diese Erlebnisse zeigen doch, wie lieb den Neussern ihr Königspaar ist. Dies haben wir das ganze Jahr über gespürt. Wir sind bei den über 100 Terminen, die wir bis jetzt wahrgenommen haben, stets von der Neusser Schützenfamilie, aber auch den Neusserinnen und Neussern insgesamt getragen worden. Außerdem macht man ja auch Erfahrungen, die man sonst nie hätte machen können - so konnte ich in der Jury der Tischlerinnung die Gesellenstücke junger Tischler begutachten, oder ich habe in der Bürgerstiftung bei Preisvergaben mitwirken dürfen. Schön ist sicherlich auch, dass meine Eltern die Erinnerungen an ihr Königsjahr durch unser Königsjahr noch einmal haben neu aufleben lassen. Sie studieren alte Fotoalben und Dokumente aus ihrer Regentschaft und lassen ihre Erfahrungen noch einmal Revue passieren.
L&L: Hatten Sie eine Philosophie, welche Einladungen Sie angenommen haben?
Rainer Reuss: Wir haben uns von Anfang an vorgenommen, kein Party-Hopping zu betreiben. Wir versuchen, am Abend nur eine Veranstaltung zu besuchen und nicht mehrere. Das hat sich ausgezahlt. So haben wir sehr viele Menschen kennen gelernt, bei einigen wird die Verbindung sicherlich auch über das Schützenfest hinaus anhalten. Sehr nett entwickelt hat sich auch die Gemeinschaft mit den Korpskönigen und Korpssiegern nebst Partnerinnen. Auch hier werden sicherlich einige Kontakte bleiben. Insgesamt ist es schön und bereichert, dass man durch die Königswürde die Gelegenheit erhält, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und viel von dem Besonderen dieser Stadt und von der Einzigartigkeit des Schützenfestes in sich aufnehmen kann.
L&L: Mit welcher Erwartung gehen Sie jetzt den Endspurt inklusive des Schützenfestes an?
Rainer Reuss: Mit großer Vorfreude und gespannter Erwartung. Natürlich freue ich mich besonders auf die Königsparade und hoffe, dass der ‚Spaß an der Freud‘, den wir beide haben, sich auf alle Schützen überträgt.
L&L: Möchten Sie schon etwas zum Orden sagen?
Rainer Reuss: Nein das möchte ich nicht. Nur so viel: Er wird etwas Besonderes, das es so bisher noch nicht gegeben hat. Ich hatte den Orden im Kopf, habe mich hingesetzt, ihn gezeichnet und fertig war der Entwurf. Da gab es keinen besonderen Design-Prozess, das ging sehr schnell.
L&L: Wie viele Orden wird es geben und nach welchen Kriterien werden sie die Orden verleihen?
Rainer Reuss: Im Grundsatz soll jeder Zug einen Orden erhalten. Außerdem habe ich die Bitte geäußert, dass man mir eine kurze Begründung gibt, warum der vorgeschlagene Schütze den Orden erhalten soll. Des Weiteren möchte ich alle Hönesse des Regiments auszeichnen, schließlich bin ich lange selber Höhness gewesen und weiß, welch ein schweißtreibender Job das sein kann. Insgesamt werden es 999 Orden sein, die ich vergeben möchte.
L&L: Was ist das für ein Gefühl, wohl vorerst der letzte König gewesen zu sein, der mit der Kutsche durch die Michaelstraße am Dienstagabend gefahren worden ist?
Rainer Reuss: Es war ein ganz tolles Gefühl im vergangenen Jahr. Ich habe das sehr genossen und viel getanzt. Ich finde es schade, dass der Zug nicht mehr durch die Michaelstraße verläuft. Ich finde, die berittenen Korps sollten Dienstagabend zu Fuß gehen, um diese einmalige Erlebnis weiter zu ermöglichen.
Andrea Reuss: Ich bin der Ansicht, die Reiter gehören auf die Pferde, der König in die Kutsche und die Artillerie auf die Protz. Deshalb sollte man den neuen Weg gehen. Auch dort wird man sicherlich wunderbar feiern können.